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Gedenken an die Opfer des Holocausts

„Ihr tragt keine Schuld für das was passiert ist, aber ihr macht euch schuldig, wenn es euch nicht interessiert.“

Esther Bejarano

Den ermordeten Jüd*innen zum Gedenken, allen Lebenden zur Mahnung: Am 27. Januar ist Holocaust-Gedenktag, dem Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee.

Alle Welt erkennt es an: Der industrielle Völkermord an sechs Millionen europäischen Jüdinnen zur Zeit des Hitlerfaschismus ist das grausamste Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Durch pseudowissenschaftliche völkische Ideologie legitimierter Massenmord im Namen Deutschlands, eines schon seit dem Mittelalter judenfeindlich vorbelasteten Landes. Oder vielleicht doch nicht? Der moderne Judenhass – pseudointellektuell Antisemitismus genannt – unterscheidet sich grundlegend von der mittelalterlichen Judenfeindschaft, laut der Jüd*innen Christusmörder und Ketzer seien. Ein Übertritt zum Christentum konnte die einzelne Person allerdings von diesen religiös motivierten Vorwürfen entlasten, der Hass war demnach nicht rassistisch. Der neuzeitliche Judenhass lässt aufgrund seiner rassistischen Natur, laut der die Jüd*innen angeblich eine minderwertige Rasse seien, solche Ausflüchte – so unterdrückerisch sie auch
sein mögen – nicht zu. Wer eine bestimmte Anzahl an jüdischen Vorfahren hatte, galt unabhängig von religiöser Überzeugung und Jüdischsein im Sinne der jüdischen Gesetze im Hitlerfaschismus als Jüd*in.

Natürlich spielt der althergebrachte Judenhass trotzdem eine Rolle: Im Mittelalter war es Jüd*innen verboten die meisten Berufe auszuüben, sodass ihnen kaum mehr als das Finanzwesen u.a. Steuereintreibung blieb. Aufgrund weit verbreiteter Judenfeindschaft, suchten auch viele Jüd*innen Schutz, indem sie sich in den Dienste von Herrscherhäusern stellten. So wurden sie im öffentlichen Bewusstsein in die Nähe von Macht und Geld gerückt.

Während der ungefähr hundert Jahre vor dem Hitlerfaschismus wurden die rechtlichen Beschränkungen für Jüd*innen immer geringer, viele waren säkularisiert und fanden ihr Jüdischsein eher nebensächlich – bis zum Aufstieg der Hitlerfaschisten. Nach dem Wall Street Crash 1929 konnten die Faschisten in der Reichstagswahl 1930 ihr Wahlergebnis versiebenfachen – und die Bevölkerung war viel empfänglicher für ihre Judenfeindschaft, die sie bis dahin herunterzuspielen versucht hatten, da sie in der Bevölkerung nicht gut aufgenommen worden war.

In der Krise griff die Propaganda allerdings: Die Jüd*innen, die angeblich das Bankenwesen kontrollierten, seien Schuld. Paradoxerweise wurden sie gleichzeitig beschuldigt hinter dem Kommunismus zu stecken und das bereits seit den 1920er Jahren – Stichwort: „Judeo-Bolschewismus” und „Kulturbolschewismus”. Dieser Vorwurf passte zu dem weltweiten Charakter des Kommunismus und der behaupteten Kontrolle der Welt durch die Jüd*innen. Und tatsächlich stammten viele Genoss*innen dieser Zeit aus jüdischen Familien und stritten gemeinsam mit anderweitig geprägten Genossinnen für die Rechte der Arbeiter*innenklasse – aber natürlich war nicht jeder Jüd*in Kommunist*in und umgekehrt. Letztlich wurde der Holocaust erst durch die kapitalistische Krise möglich: Die Hitlerfaschisten missbrauchten die Jüd*innen als Sündenbock und setzten sich ihre Vernichtung zum Ziel, während sie gegen den ebenfalls als jüdisch bezeichneten Kommunismus hetzten und die Bevölkerung von den wahren Zusammenhängen im Kapitalismus ablenkten – Faschismus in seiner Rolle als Immunsystem des Kapitalismus mit den grausamsten Folgen.

Judenhass heutzutage

Heutzutage, inmitten von Pandemie und Wirtschaftskrise, greift vergleichbarer Judenhass wieder um sich. Die sogenannten Querdenker übernehmen die alten Verschwörungstheorien und lenken von den wahren Übeltätern, den Kapitalisten, die auf Patenten von Impfstoffen sitzen, ab, während sie sich gleichzeitig antifaschistische Rhetorik und Kultur aneignen, beispielsweise das Partisanenlied „Bella Ciao”. In Frankreich hat der „islamo-gauchiste” (Islamo-Zecke) den „Judeo-Bolschewisten” abgelöst und die heutigen Faschisten sprechen von „Kulturmarxismus”, während sich ein esoterisch-rechtsoffenes Weltbild in der Gesellschaft ausbreitet.

Den Anfängen könne wir nicht mehr wehren – wir stecken inmitten einer gefährlichen Faschisierung der Gesellschaft. Als Materialist*innen ist es unsere Pflicht Aufklärung über
die wahren Zusammenhänge zu betreiben, judenfeindliche Rhetorik entschieden zurückzuweisen und niemals die Erinnerung an den Holocaust verblassen zu lassen.

Kein Vergeben, kein Vergessen!
Nie wieder Auschwitz!