Am 7. August wird Weimar zum Ziel für Rechtsradikale aus ganz Deutschland. Mehrere Neonazi-Gruppen mobilisieren zu einer „organisationsübergreifenden Demonstration“ in die thüringische Stadt. Wir rufen deshalb alle Antifaschist*innen auf, sich dem Neonaziaufmarsch entgegenzustellen. Schließt euch ab 10 Uhr dem Gegenprotest auf dem Stéphane-Hessel-Platz (vor dem Bauhaus-Museum) an. Lasst uns den Neonaziaufmarsch gemeinsam zum Desaster machen. Kein Fußbreit dem Faschismus!
Rechtsradikale Vernetzungsbestrebungen
Hinter dem Aufruf der Neonazis stecken mehrere faschistische Kleinstgruppen. Am relevantesten dabei ist wohl der Neonaziverein „Neue Stärke Erfurt“ (NSE), dessen Mitglieder zuvor teilweise schon unter den Labels „NPD“, „Die Rechte“ und „III. Weg“ organisiert waren. Jedes Mal kam es schon nach kurzer Zeit zum Bruch mit den rechten Parteien, sodass die Erfurter Neonazis jetzt eigene Wege gehen und versuchen, neue Bündnisse zu formen und den „Nationalen Widerstand“ zu vereinen.
Ebenfalls am Aufruf beteiligt ist die „Aktionsgruppe Dessau/Bitterfeld“ die in der Vergangenheit schon von der NSE bei Aufmärschen unterstützt wurde und durch den Lok-Leipzig Hooligan und Neonazi Dirk Hammerschmidt über Kontakte in das Hooligan-Milieu von Lok-Leipzig, Hallescher FC und FC Rot Weiß Erfurt verfügt.
Außerdem finden sich die Logos der Parteien „NPD“ und „Die Rechte“ auf dem Aufruf. Eine Mobilisierung durch diese beiden Parteien im Allgemeinen findet allerdings gar nicht statt. Vielmehr handelt es sich hierbei ausschließlich um die „Die Rechte Braunschweig Hildesheim“ rund um Pierre Bauer sowie die „Kameradschaft Reinhessen“, deren Logo ebenfalls abgebildet ist und die sich in Teilen mit der „NPD Bingen“ und „Die Rechte Südwest“ deckt.
Ausgestreckte Hand zu „Querdenken“
Die letzte Gruppe, die den Aufruf mit ihrem Logo unterstützt, ist die sogenannte „Speerspitze Widerstand Deutschland“ rund um Jakob Brock, die aus den Coronaleugner*innenprotesten entstand. Brock trat schon bei einer Demonstration am 20. März 2021 in Berlin in Erscheinung, zu der mehr als 20 rechtsradikale Organisationen aufgerufen hatten. Der Versuch, das „Querdenken“-Spektrum nach Berlin zu mobilisieren, scheiterte damals, weil dessen Spitze nach Kassel mobilisierte. Er klagte daraufhin in einem Redebeitrag über die „Klangschalenfraktion“, die die Neonazis in Berlin im Stich gelassen hätte. Dem Aufruf zur Demonstration in Berlin mit dem Titel „Frieden, Freiheit und Souveränität“ folgten letztendlich keine 300 Personen. Unter dem gleichen Titel wird nun auch für den rechten Aufmarsch in Weimar mobilisiert – Ziel ist wohl also auch, den Reinfall von Berlin gerade zu rücken.
Auch die „Neue Stärke Erfurt“ versuchte in der Vergangenheit, Kontakt zum „Querdenken“-Spektrum herzustellen. Der Erfurter Neonazi Enrico Krause trat beispielsweise wiederholt mit NSE-Symbolik auf den Veranstaltungen von „Querdenken 361 – Erfurt“ auf und übernahm auch Ordnerfunktion. Zu einer Demonstration am 1. Mai 2021 mobilisierten sie – ebenso wie zum 7. August – auch in der Telegramgruppe der Erfurter „Querdenker*innen“ und konnten auch einige Schwurbler*innen auf ihre Demo bringen.
Zeitgleich zur 1. Mai-Demo der NSE wurde Weimar allerdings von tausenden Schwurbler*innen überrant nachdem im April 2021 eine Hausdurchsuchung bei einem Richter des Weimarer Amtsgerichts durchgeführt wurde. Dieser hatte – wohl nach Absprachen mit Personen aus der thüringer „Querdenken“-Szene – die Maskenpflicht für zwei Weimarer Schüler*innen aufgehoben. Die Polizei und leider auch der antifaschistische Gegenprotest waren auf die Demonstrationen der Coronaleugner*innen kaum vorbereitet, was im Milieu der „Querdenker*innen“ als Erfolg gewertet wurde. Die Neonazis versuchen nun verspätet daran anzuknüpfen, worauf auch die Formulierungen ihres Aufrufs für den 7. August hindeuten. Darin wird explizit Bezug auf die Covid-19-Pandemie und die vermeintlich dahinterstehende Verschwörung genommen.
Rechte Kontinuitäten in Weimar
Aufgrund seiner Geschichte, in der der Nationalsozialismus eine große Rolle spielt, war Weimar schon in der Vergangenheit Ziel rechter Aufmärsche. Die Stadt im Schatten des Konzentrationslagers Buchenwald war schon in der Zwischenkriegszeit ein Zentrum völkisch-nationalistischer Bewegungen, die Hitlerjugend bekam hier ihren Namen und in Weimar steht das einzige tatsächlich gebaute Gau-Forum der NSDAP.
Seit 2013 versuchten Neonazis – darunter auch Michel Fischer, damals noch NPD, nun NSE – ein geschichtsrevisionistisches „Bombengedenken“ in Weimar zu etablieren. In den vergangenen Jahren fanden diese Aufmärsche dank breiten Protests, organisiert vom Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus Weimar, nicht mehr statt.
Zwar gibt es in Weimar selbst keine organisierten Neonazi-Kader, keine Burschenschaften, bis auf die AfD keine offen agierenden rechtsradikalen Parteien oder ähnliche Strukturen, dennoch sind rassistische und antisemitische Übergriffe in der Stadt keine Seltenheit. Anfang 2021 wurden wiederholt Stolpersteine, die an die Opfer des Holocaust erinnern, mit Farbe beschädigt. Immer wieder gibt es Drohungen, Beleidigungen und sogar Angriffe auf Menschen of Color oder Antifaschist*innen.
Für besonderes Aufsehen sorgten zwei Vorfälle im Frühjahr 2021: So wurde Anfang März die Schaufensterscheibe des Cafés „Spunk“ gezielt mit einem Ziegelstein eingeworfen und Teile der Inneneinrichtung beschädigt. Im Fenster hingen Plakate im Gedenken an die Opfer des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau – Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov – mit deren Namen und Gesichtern aus. Wenige Tage später wurde eine vom „Netzwerk Antirassismus Weimar“ organisierte Ausstellung im öffentlichen Raum im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus durch Unbekannte zerstört. Eine Neuauflage der Ausstellung wurde erst vor wenigen Wochen kurz nach der Eröffnung erneut von Unbekannten beschädigt.
Den rechten Konsens brechen! Den Neonaziaufmarsch zum Desaster machen!
Wir protestieren daher nicht nur gegen den Neonaziaufmarsch, sondern wollen darüber hinaus auch aufmerksam machen auf die rassistischen und antisemitischen Vorfälle, die sich in Weimar immer wieder ereignen. Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus und anderes menschenverachtendes Gedankengut sind keine Phänomene, die ausschließlich an einem vermeintlichen „rechten Rand“ der Gesellschaft vorkommen und die mit einer Demonstration gegen einen faschistischen Aufmarsch aus der Welt geschafft wären. Diese Verkürzung und auch die Gleichsetzung mit einem angeblich „genauso schlimmen linken Rand“ auf der anderen Seite, verunmöglichen den Kampf gegen Rechts. Menschenverachtendes Gedankengut und Ungleichheit sind strukturell in unserer kapitalistischen Gesellschaftsordnung verankert und müssen nicht nur am 7. August, sondern jeden Tag bekämpft werden.
Schließt euch also den antifaschistischen Protesten am 7. August in Weimar an und beteiligt euch an der Demonstration ab 10 Uhr auf dem Stéphane-Hessel-Platz!
Gegen den rechten Schulterschluss – rassistische, antisemitische und faschistische Strukturen bekämpfen!
Den antifaschistischen Widerstand auf die Straße bringen!d